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Yasuhisa Toyota - Das Geheimnis der Akustik? Warten.

Von der Elbphilharmonie nach Berlin: Yasuhisa Toyota ist für den Klang im neuen Berliner Pierre-Boulez-Saal zuständig. Ein Gespräch.


Das Geheimnis der Akustik? «Warten.»

Ein Gespräch mit dem wohl weltbesten Akustiker Yasuhisa Toyota.

Quelle: Berliner Morgenpost

Yasuhisa Toyota lebt schon seit Jahren mit seiner Frau in Los Angeles. Der Japaner ist Akustiker und sein Name steht an oberster Stelle in der Musikbranche. Yasuhisa Toyota hat unter anderem die Suntory Hall in Tokio, die Walt Disney Concert Hall in Los Angeles und nicht zuletzt die Hamburger Elbphilharmonie eingerichtet. Am 26.02.2017 führte Volker Blech und Yasuhisa Toyota ein Interview im Boulez-Saal. Die folgende Zusammenfassung, lässt uns einige Einblicke in Yasuhisa Toyotas Ansichten erhaschen.

 

Der Akustiker Yasuhisa Toyota bei Klangproben im neuen Boulez-Saal. Foto © Reto Klar

 

Persönliches

Eingerichtete Säle: 50

Bevorzugter Saal: Pierre-Boulez Saal, Projekt Barenboim-Said Akademie

Eigene Definition des Berufes: Akustiker, Akustikdesigner

Bevorzugte Musik im Auto: klassische Musik


Wenn Sie einen neuen Konzertsaal betreten, können Sie dann bereits sehen, wie er klingen wird?

Yasuhisa Toyota: Was den Klang betrifft, würde ich Nein sagen. Natürlich haben wir gewisse Erwartungen, aber ich muss erst etwas hören. Allerdings ist der optische Eindruck auch sehr wichtig. Wir nennen das Psychoakustik. Wenn wir etwas hören, dann sehen wir normalerweise gleichzeitig etwas. Dieser visuelle Eindruck ist sehr wichtig. Ich scherze manchmal, wenn man eine pinke Akustik haben will, dann muss man die Wände pink anstreichen. Das Visuelle ist gerade auch wichtig für die Musiker, denn sie arbeiten nicht auf mathematischer, sondern auf künstlerischer Basis. Die Gemütsverfassung spielt eine große Rolle. Wenn Musiker in einen neuen Saal kommen, dann schauen sie sich erst einmal um. Wenn sie sich wohlfühlen, wird das künstlerische Ergebnis ein anderes sein als wenn sie sich unwohl fühlen.

Was ist die Definition einer guten Akustik? Ist es die berühmte Nachhallzeit? Stardirigent Daniel Barenboim spricht für seine generalsanierte Staatsoper Unter den Linden von einer Erhöhung auf mindestens 1,6 Sekunden.

Wir benutzen eine Nachhallzeit von 1,8 bis 1,9 Sekunden. Aber diese Zahlen sind nicht der Hauptfaktor in der Akustik. Der Nachhall ist nur der einzige Parameter, den wir als Zahl festmachen können. Ein Beispiel: Ich habe vor 30 Jahren, es war das erste große Projekt, die Suntory Hall in Tokio gemacht. Die Firma Suntory ist in Japan ein großer Whisky-Hersteller. Wir erklärten ihnen die Nachhallzeit. Ah, sagten sie, es ist wie der Alkoholanteil bei einem Whisky. Der soll bei 43 Prozent liegen. Die Zahl ist für den Whisky wichtig. Wenn wir etwas von 30 Prozent hören, werden wir misstrauisch. Dabei hängt der Geschmack von der Qualität ab, erst dann sprechen wir davon, dass der Whisky mild oder tief schmeckt. Die Akustik lässt sich genau auf diese Weise beschreiben.

Ist es schwieriger, die Akustik in einem Kammermusiksaal oder einem großen Konzertsaal einzurichten?

Jede Sorte Konzertsaal hat ihre Schwierigkeiten und Leichtigkeiten. Wenn wir über den neuen Kammermusiksaal reden, ist es so, dass dort manchmal ein großes Orchester spielen wird. Die akustische Kraft eines Orchesters, eines Kammerorchesters oder eines Liederabends ist aber komplett verschieden. Der Saal muss sich anpassen. Das ist wirklich eine Herausforderung.

In der Berliner Philharmonie hat man nach der Eröffnung einiges verändert, um die Akustik zu verbessern. Bei der neu eröffneten Elbphilharmonie gibt es auch Diskussionen über die Akustik. Ist das ein normaler Vorgang, nachträglich Dinge zu verbessern?

Als wir die Suntory Hall eingerichtet haben, basierte alles auf den Berliner Erfahrungen. Auch dort sitzt das Publikum ums Orchester herum, das war in den 60er-Jahren ein völlig neuer Stil. Ich habe den Akustiker Lothar Cremer von der Technischen Universität besucht. Nur eine Frage war für mich wichtig: Was er getan habe, um die Akustik zu verbessern. Aber Cremer lächelte nur und antwortete: Er habe gar nichts verändert.

Aber es gibt einige Leute, die anderes behaupten.

Es gibt sogar im Orchester einige Musiker, die sagen, die Akustik ist im Laufe der Jahre verbessert worden. Tatsächlich hat man später ein aufwendigeres Podium eingebaut, aber das wollte Herbert von Karajan wegen der Optik. Es ging um die Filmaufnahmen. Aber man behauptete, dadurch hätte sich die Akustik dramatisch verändert.

Können sich professionelle Musiker derart verhören?

Als die Tokioter Musiker in die Suntory Hall zogen, waren sie völlig verwirrt. Alles war neu. Am Anfang schien es ihnen, als könnten sie sich nicht hören. Mir erschien es auch so, sie klangen nicht zusammen. Am Anfang gab es Beschwerden – vor allem unter den Orchestermusikern über die Akustik. Das Gute war, dass die Suntory Hall viele große internationale Orchester einlud. Die spielten wunderbar, weil sie diese Art der Akustik bereits aus der Berliner Philharmonie kannten. Für die war es keine Überraschung. Die Orchester aus Tokio hatten am Anfang alle das gleiche Problem. Es hat mindestens drei bis vier Jahre gedauert, aber sie haben es überwunden. Ich habe einzelne Musiker gefragt. Die sagten, am Anfang war es schwer. Aber jetzt, nachdem die Akustik verbessert worden sei, wäre es gut.

Was haben Sie denn verbessert?

Es wurde nichts verändert. Wie sollte ich das auch tun? Man kann es einen Einstimmungsprozess nennen, der in einem neuen Saal stattfinden muss. Aber er findet hauptsächlich auf Seiten der Musiker statt. Das kann man vorher nicht analysieren. Es ist auch nicht die Aufgabe der Ingenieure. Das einzige, was wir tun können, ist warten. Wenn wir nicht darüber Bescheid wüssten, dann würden wir in Panik verfallen, wenn nach einer Eröffnung die Musiker über die schlechte Akustik stöhnen. Aber wir wissen, dass sich das Problem über Jahre auflöst. Genauso wie in der Suntory Hall wird es auch anderswo geschehen.

Gibt es Säle, die es weniger guten Orchestern leichter machen?

Es gibt keine Paradies- oder Wundersäle, die bewirken, das Orchester plötzlich zur Qualität der Berliner Philharmoniker aufsteigen. Natürlich kann eine gute Akustik einem Orchester helfen. Unser Ziel ist es immer, möglichst viel Klarheit in den Klang zu bringen. Das wird auch immer wichtiger, seitdem es CDs gibt. Oder denken wir nur an iTunes. In digitalen Aufnahmen können wir alles klar hören. Wenn wir versagen, dann wird das Publikum enttäuscht sein, weil es im Saal nicht das hört, was es von der CD her kennt. In einem guten Konzertsaal gehören Mischklang und Transparenz zusammen.

In den neuen Sälen sitzt das Publikum um die Bühne herum. Was verändert sich dadurch?

In historischen Sälen gab es in der Kommunikation zwischen Musikern und Publikum nur eine Richtung: von der Bühne hin zu den Sitzreihen. In der Philharmonie oder im Boulez-Saal können die Zuhörer auch einander sehen. Wir können also auf der Bühne die großen Künstler genießen und zugleich mit anderen Leuten im Publikum in Kontakt treten. Das Publikum kann die Musik untereinander teilen. Das halte ich für sehr wichtig. In alten Sälen sehen wir immer nur die Rücken des vor uns sitzenden Publikums, hier schauen wir in die Gesichter. Das hat der Saal iTunes voraus. Im Boulez-Saal wird man seinen Freunden zuwinken und geht nach dem Konzert miteinander essen und redet über die Musik. Kommunikation ist wichtig: Wenn wir miteinander reden, drehen wir einander auch nicht den Rücken zu.

Wie viele Säle haben Sie eingerichtet?

Ungefähr 50 Säle, aber ich habe sie nicht gezählt. Der Pierre-Boulez-Saal liegt mir besonders am Herzen, weil das Projekt dahinter, die Barenboim-Said Akademie, so interessant ist.

Deswegen haben Sie Ihre Arbeit als Geschenk angeboten?

Ja, aber es ist für mich auch gut, weil ich das Projekt überall in der Welt vorzeigen kann.

Wenn Sie Ihren Beruf in ein Behördenformular eintragen, was schreiben Sie hin?

Akustiker, Akustikdesigner oder akustischer Berater. Das Feld, in dem wir arbeiten, ist nicht groß. Der Beruf Akustiker ruft meist Erstaunen hervor. Ah, sagen dann die Leute, sie stellen Lautsprecher her. Es gibt immer viel Verwirrung.

Welche Musik hören Sie im Auto?

Eigentlich höre ich im Radio nur klassische Musik.